Er sah sich im Roman, neben einer Frau liegend, die nichts verriet. Warum war alles magisch an ihr und so selbstverständlich leicht? Und welches Recht hatte er, sie für sich zu beanspruchen, da sie nicht einmal eine Beziehung führten und er Nelly betrog? ‚Du hättest es leichter haben können‘, hörte er Nelly sagen, ‚aber du wolltest ja deine Impulse für das Buch.‘ Er konzentrierte sich auf Fábias Atemrhythmus. Von ihrer Haut strömte ein leichter, feiner Duft, den er so gern roch, noch immer roch, wie lange noch, wie lang. Plötzlich hielt er inne. Was geschah, wenn sie nach drei Monaten zurückkam? Sie würde noch für kurze Zeit in seiner Stadt bleiben und dann für immer nach Brasilien zurückkehren … Er hatte noch nie so direkt daran gedacht, sondern das Szenario immer in weite Ferne gerückt, wie in eine andere Welt. Aber die Zeit rückte im Minutentakt vorwärts, und schon jetzt konnte er eine kalte Klinge an seiner Kehle spüren. Das, was er eben noch zu Fábia gesagt hatte – dass er es schön fände, die wenige Zeit noch zu genießen –, schien im plötzlich überzogen, fast lächerlich.
Als hätte Fábia geahnt, was er dachte, richtete sie sich auf, zog seinen Kopf zu sich und küsste ihn lange und leidenschaftlich. Dann hielt sie ihre Hand mit gespreizten Fingern in die Luft, und er legte seine dazu. Er sah Rodins Skulptur La Cathédrale und zwei Hände, um Jahre gealtert. Wie ein Blitz fuhr Nelly in dieses Bild. ‚Das ist meine Hand‘, hörte er sie rufen, ‚du hast mir gesagt, dass du mit mir alt werden möchtest!‘ Er schloss seine Augen und konzentrierte sich auf die gelben Punkte, die sich im Dunkel abzeichneten. In einem entdeckte er ein bekanntes Gesicht – es war ein alter Schulfreund, von dem er schon seit Jahren nichts mehr gehört hatte. Bevor er näher darüber nachdenken konnte, wie es ihm ging, fuhr ihm eine Hand über den Bauch und zog Worte heraus, von denen er nichts geahnt hatte. Fábia schaltete das Licht aus und zündete eine Kerze an, während er am noch immer heißen Tee nippte. Sie nahm ihm die Tasse aus der Hand, drehte ihn auf den Bauch und setzte sich auf seinen Po. Ihre Hände gruben sich unter seinen Pullover.
(Auszug aus dem Roman „Später vielleicht“, Skarabäus 2009)
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