Ab sofort ist die in der Edition Tandem erschienene Anthologie „Annäherungen an Stefan Zweig“ erhältlich, in der mein Prosatext „Hinter der Grenze“ abgedruckt ist (ein Auszug daraus findet sich untenstehend).
„Aber jeder Schatten ist im letzten doch auch Kind des Lichts, und nur wer Helles und Dunkles, Krieg und Frieden, Aufstieg und Niedergang erfahren, nur der hat wahrhaft gelebt.“
(Stefan Zweig, Die Welt von gestern)
Komm, setz dich auf meinen Zweig, nimm Platz in meinem Schatten. Es ist heiß heute, da tut Abkühlung gut. Kommst du von drüben, von der anderen Seite des Meeres? Spiegelglatt das Wasser, da werden sie wieder die Überfahrt wagen in ihren Schlauchbooten, sich aufmachen im Schutz des Dunkels. Die Sterne Europas leuchten den Weg. Am Strand liegen noch Schwimmwesten der letzten Flucht, es war ein heilloses Durcheinander, ein Boot lief auf Grund, aber dem Himmel sei Dank waren rasch Fischer zur Stelle.
Jetzt sind die Menschen im Lager gestrandet, drängen sich an Tagen wie diesen in den spärlichen Schatten der Bäume. Die Zelte rundum zu Hunderten wie weiße Muscheln aufgereiht, so hoch mit messerscharfem Stacheldraht umzäunt, dass nur Vögel darüber hinweg finden. Polizisten wachen dort bei Tag und Nacht, kontrollieren, wer eingeht, ausgeht, und die Menschen haben zu schweigen gelernt bei ihrem Erscheinen.
Keine Kommentare