Nach dem Tod seiner Frau führt Simon Selander ein einsames Leben als Bibliothekar in einer Stadt, die unzählige Falltüren in die Vergangenheit öffnet. Es ist eine kleine, hermetische Welt, in der sich der Protagonist bewegt, mit vielen Schwarz- und wenigen Weißstellen, die vor allem aus bedrohlichen Schnee- und Eislandschaften bestehen. Selander wird häufig von Tagträumen und wahnhaften Vorstellungen heimgesucht, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen. Nachts geschehen Dinge, die für ihn unerklärlich und zunehmend gefährlich sind. Sein Leben scheint gänzlich aus den Fugen zu geraten, bis schließlich sein dunkles Geheimnis ans Licht kommt.
„Er öffnete seine Augen im Weiß. Er öffnete die Augen im gleißenden Licht einer Schneewüste, in der sich Eismassen wie versteinerte Figuren auftürmten und der Horizont auch mit größter Vorstellungskraft nicht wahrnehmbar war. Himmel und Schneewüste ergaben vielmehr ein einziges konturloses Gebilde, und er fühlte sich unwohl und schwindlig in dem schier unendlichen Raum, in dem nichts zu hören war als das Knirschen seiner Schritte. Mehrmals blieb er stehen und drehte sich um, denn ihm war, als würde jemand hinter ihm gehen. Das Weiß umschloss ihn wie eine Zange, nahm ihm die wenige Luft, die er noch hatte, und mit jedem Schritt meinte er, tiefer zu sinken. Ohne Zeitgefühl kämpfte er sich durch die Schneemassen, spürte eine bleierne Schwere, durch die jeder Schritt zu einer Kräfte raubenden Überwindung wurde.“
Nicht im Traum
Roman (2013)
Hardcover mit Schutzumschlag, 224 Seiten
ISBN 978-3-902866-08-0
edition laurin
Rezensionen
Robert Kleindienst bettet in die Erzählung gekonnt Rückblenden ein, sodass Vergangenes auf Gegenwärtiges trifft und sich jeglicher Zeitbegriff aufzulösen scheint. Auf diese Weise gelingt es Kleindienst, zugleich den momentanen Ohnmachtzustand von Menschen, die gerade den Verlust einer Person zu beklagen haben, einzufangen und andererseits auch den langjährigen Prozess der Trauerarbeit, der das tägliche Leben der Hinterbliebenen prägt, zu beschreiben. Der Roman „Nicht im Traum“ nimmt uns Leser auf eine rührende und spannende Reise mit, deren räumliche, zeitliche und farbige Grenzen ineinanderfließen, denn schließlich ist auch die Haut des Eisbären schwarz.
Raffaela Rogy, skug 95
Und dann gibt es die seltsame Zwischenwelt „Hinter dem Schlaf“, von der Selander lange nichts weiß. Als Schlafwandler begibt er sich auf Streifzüge durch die nächtliche Stadt. Es sind atemlose, unruhige Sequenzen, die im Roman kursiv gesetzt sind. Der Blick des Autors richtet sich dabei wie durch eine Kamera auf seinen Protagonisten. Gleich einem Objektiv, das immer näher heranzoomt, bis das Bild im Schwarz endet. Der Morgen danach bringt Simon Selander in eine Realität zurück, die durch die Ereignisse der Nacht zunehmend verrückt und rätselhaft erscheint. Der Roman „Nicht im Traum“ ist nicht nur die komplexe Komposition eines physischen und psychischen Grenzgangs. Es ist auch ein einfühlsamer Roman über einen Neuanfang.
Gabriele Wild, Literaturhaus am Inn
Visionen von der Schneewüste durchziehen das Buch, dazu schneit es viel, Kälte und ein Weiß, in dem der Blick keinen Halt findet, gleiten als Leitmotive durchs Buch. Robert Kleindienst dürfen wir in Zukunft noch etwas zutrauen.
Anton Thuswaldner, Die Furche
„Nicht im Traum“ – der Titel von Robert Kleindiensts berührendem Roman über Liebe, Krankheit, Tod, Überforderung und andere Unsicherheiten verweist auf Undenkbares, Unerhörtes, etwas, das man doch nicht einmal im Traum tun würde oder auch auf Dinge, die nicht im Traum, sondern doch recht wirklich geschehen sind. … und man wird unendlich traurig und bekommt doch Lust, das Buch gleich noch einmal von vorne zu lesen.
Sabine Dengscherz, Literaturhaus Wien
Kleindienst gelingt es, eine inhärente Spannung zu erzeugen, die bis zum Schluss anhält. Seine Prosa ist gut lesbar und breit zu empfehlen.
Peter Vodosek, ekz
Robert Kleindienst spielt hintersinnig mit dem Dilemma der Fiktion, nämlich ab wann wird sie zu einer überbordenden Realität. „Nicht im Traum“ deutet auf diese hohe Wahrscheinlichkeit der Geschichte hin, gleichzeitig lässt dieser Titel auch durchklingen, dass es sich beim Bibliothekar um keinen Traumberuf handelt. – Ein verrückter Sprung durch verschiedene Formen der Wirklichkeit, bei dem das Buch zu einem Fallschirm wird, der sich vielleicht nicht öffnet.
Helmuth Schönauer, Buchkultur
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