In der Ferne sah er sie. In der Ferne sah er sie im Schnee gehen, im dichten Flockentreiben, und er wollte nach ihr rufen, aber sein Mund gehorchte ihm nicht, öffnete sich keinen Millimeter in der beißenden Kälte. Die dünne Schneeschicht wurde vom Wind hochgeworfen und durch die Luft getragen, gespickt mit winzigen Eiskristallen, die im Sonnenlicht glänzten und ihn mit derartiger Wucht am Gesicht trafen, dass es brannte und er meinte, hunderte Nadelspitzen würden gleichzeitig in seine Haut gebohrt und das Gesicht bis auf die Knochen durchdrungen. Bald spürte er nur noch einen dumpfen Schmerz und hielt die Hände schützend vor Mund und Augen. Das gleißende Licht, das Heulen des Windes und die beißende Kälte forderten alle seine Sinne und machten sie gleichzeitig unendlich scharf, denn er wusste, dass nur so ein Überleben in der Eiswüste möglich war und er nicht niedersinken durfte vor Schwäche und Angst, denn es hätte seinen Tod bedeutet. Nein, er musste weiter, durfte keine Zeit verlieren und keinesfalls sein Leben, solange er sie sah, solange er nur annähernd ihre Konturen erkannte, musste er weiter gegen den Wind und die Widrigkeiten der Kälte ankämpfen. Ein Fuß vor den anderen. Er setzte einen Fuß vor den anderen, drückte seine Schuhe fest in den Schnee, der bald darauf seine Spuren wieder bedeckte, als wolle er verhindern, dass ein Zeichen von menschlichem Leben in diesem seelenlosen Teil der Welt länger als einige Atemzüge Bestand hatte. (Auszug aus dem Roman Nicht im Traum, edition laurin 2013).
Keine Kommentare