Erst im Weitergehen realisierte er, was soeben passiert war: Um Haaresbreite wäre er von der Schaufel eines Baggers getroffen worden. Um Haaresbreite wäre er nicht mehr jemand gewesen, der durch die Stadt ging, auf der Suche nach Ideen, sondern ein Körper, um den sich nach und nach Menschen versammelt hätten. Betroffene Bauarbeiter. Fotografierende Touristen. Kinder, die unbeantwortet bleibende Fragen an ihre Eltern gestellt hätten. Irgendwann wäre der Arzt eingetroffen und hätte wohl nur noch seinen Tod festgestellt. Seltsam. Nie im Leben hatte er ernsthaft daran gedacht, sich das Leben zu nehmen. Und jetzt, wo er fast von einem metallenen Klotz ausgelöscht worden wäre, ohne die leiseste Vorwarnung, fühlte er einen unabdingbar stärkeren Drang, zu leben. Er ging ins nächste Café und schrieb.
Seltsam, alles aufzuschreiben, was man eben wahrnimmt. So greift man ein Stück Welt auf und erschafft sie gleichzeitig neu am Papier. Aber ich möchte erleben und dann erst Worte dafür finden, nicht umgekehrt. Ich bin kein Bildersammler, der gleich beim ersten Sehen alles in Worte umsetzt, jemand, dessen Wahrnehmung sich aufs Schreiben reduziert. Aber wo kann ich Bilder finden, wenn nicht vor der Haustür? Es ist ein pointillistisches Vermessen von Menschen und Landschaft, mit dem Zweck, später alles in Worten wiederzugeben. Ich schreibe das Drehbuch meines eigenen Lebens, aber ich schreibe nicht über mich, sondern schreibe mich selbst.
(Auszug aus: „Später vielleicht“. Skarabäus 2009)
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