Am Weihnachtsabend hatte ich in der Bar alte Weisen gesungen, als der Hoteldirektor sichtlich aufgeregt zu mir kam. Soraya wünsche sich eine Darbietung von Stille Nacht, und da man einer Prinzessin, obendrein einer derart schönen und berühmten, jeden Wunsch von den Lippen abzulesen habe, hätte ich auf der Stelle mitkommen. Ich folgte ihm ohne Widerspruch.
In der obersten Etage blieb er ehrfürchtig vor Sorayas Suite stehen. Er kontrollierte seine Krawatte, kämmte sein Haar, klopfte vorsichtig an die Tür, wartete, klopfte fester, bis sich das Tor öffnete zu ihrem Reich. Ein Schwall warmer Luft schlug mir entgegen, voll geheimnisvoller Gerüche, die mich einen Moment lang den Grund meines Besuches vergessen ließen. Schon aber schob mich der Hoteldirektor durch die zweite Tür, ich spürte seine Anspannung, irritiert, weshalb mich mit einem Mal das Lampenfieber gepackt hatte.
Und dann sah ich sie, auf einem Diwan sitzend, glitzernd, strahlend, dass selbst der in allen Farben funkelnde Christbaum neben ihr verblasste. Ich wusste nicht, wie mir geschah, war überwältigt von dem Weihnachtsmärchen, in das mich meine Musik entführt hatte an jenem Abend. Mein Blick wanderte über ein Meer von Blumen, Kerzen, Lametta hin zu Sorayas Gefolge, blieb an den vielen Päckchen hängen, die sich baumhoch auftürmten.
Alle Blicke nun auf mich gerichtet, hatte mir Soraya aufmunternd zugenickt, während der Hoteldirektor seine Hand auf meine Schultern legte, mich ins Ohr flüsternd ersuchte, endlich mit dem Lied zu beginnen. Noch aber wollte kein Laut über meine Lippen, umklammerte ich die Gitarre gleich einem Holzstück auf hoher See. In meiner Erinnerung sah ich Alwin mit einem Jutesack, den er bei Anbruch der Dämmerung in die Stube getragen und einen Tannenbaum herausholt hatte, ihn mit Äpfeln, Nüssen und Strohsternen behängte. Ich dachte an Rosa, wie sie im Advent Bettelbriefe geschrieben hatte an Geschäfte in Landeck, um uns Kindern mit kleinen Geschenken eine Freude zu bereiten. Ich dachte daran, wie ich ihr zum Dank meine schönste Stimme geschenkt hatte bei der Bescherung, und mit einem Mal brachten meine Finger die Saiten zum Klingen, folgte ein Stille Nacht, wie ich es nie zuvor gesungen hatte. Töne schwebten im Raum, verbanden sich mit dem Weihrauch und Duft des Tannenbaums zu einem warmen, wohligen Klang. Ich vergaß den verführerischen Glanz um mich, vergaß, wo ich war, war mit dem Lied eins in jenem Augenblick und blieb es bis zur letzten Strophe.
Auszug aus dem Roman Das Lied davon (Edition Laurin 2023)
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